Einfluss der Bindung bzw. atomaren Aufbaus auf die Eigenschaften eines Werkstoffes

In den entsprechenden Kapiteln der Chemie wird der Zusammenhang zwischen mikroskopischen Eigenschaften (atomarer Strukturaufbau) und den makroskopischen Eigenschaften (Siedetemperatur, Dichte) erläutert. Auch im vorherigen Kapitel wird dieser Zusammenhang bereits erwähnt. So hatjeder Werkstoff eine bestimmte chemische Zusammensetzung. Die Bindung der Teilchen (Atome, Ionen) miteinander und das  Atomgewicht der enthaltenen Elemente entscheidet über die Dichte des Werkstoffes. Die Dichte wiederum bestimmt (bei einem bestimmten Volumen) das Gewicht und ist daher entscheidend für viele physikalische und chemische Eigenschaften des Werkstoffes.

Wie jeder Stoff bestehen Werkstoffe aus Atomen, Ionen oder Molekülen. Die Art der Bindung zwischen den einzelnen Atomen wird vor allem durch Valenzelektronen bestimmt (Elektronen auf der äußersten Schale). Gehen Atome bzw. Elemente chemische Verbindungen miteinander ein, streben die Atome immer nach dem energetisch günstigsten Zustand. Diesen Zustand bezeichnen wir als Edelgaskonfiguration (die Zahl der Valenzelektronen auf der äußersten Schale entspricht dabei immer dem vergleichbaren Edelgas in der gleichen Periode). Damit ein Atom diese Edelgaskonfiguration erfüllt, kann er einem anderen Bindungspartner Valenzelektronen abgeben, von diesem Valenzelektronen aufnehmen oder mit diesem Valenzelektronen teilen. Auf diese Weise bilden sich auch die drei Hauptbindungsarten aus: Atombindung (= kovalente Bindung), Ionenbindung und Metallbindung.

Der Einfluss des Bindungstyps auf die Eigenschaften des Werkstoffes

Die drei Bindungsarten sind verantwortlich für viele physikalische Eigenschaften der Werkstoffe. Die Bindungsart in einem Werkstoff entscheidet über Dichte, Festigkeit, elastische oder plastische Verformbarkeit, thermische und elektrische Leitfähigkeit, Siede- und Schmelzpunkt. Da dies in den Kapiteln der Chemie ausführlich vorgestellt wird, hier nur eine Zusammenfassung:

Bei der Ionenbindung ziehen Kation und Anion einander an, so dass eine Verbindung (ein Salz) entsteht. Die Ionenbindung wirkt in alle Richtungen und ist nicht räumlich gerichtet.Bei der Metallbindung geben die Metallatome Valenzelektronen ab und bilden so positiv geladene Kationen. Die freien Elektronen sind als sogenanntes “Elektronengas” frei beweglich zwischen den Kationen. Die (Metall) Bindung resultiert nun durch die elektrostatischen Anziehungskräfte zwischen den Kationen und dem Elektronengas. Analog wie bei der Ionenbindung wirkt die Metallbindung in alle Richtungen und ist räumlich nicht gerichtet. Bei der Atombindung teilen sich zwei Atome gemeinsam Valenzelektronen. Die Atombindung ist daher räumlich gerichtet.

Duktilität und Sprödigkeit als physikalische Eigenschaft:

Die Duktilität als Eigenschaft unterscheidet Metalle und Salze. Damit ein Werkstoff Duktilität ist, dürfen die Bindungen zwischen den Bindungspartnern nicht räumlich gerichtet sein und darüber hinaus darf es beim Verschieben der Atome (durch eine Krafteinwirkung) zu abstoßenden Wechselwirkungen kommen. Dies wäre beispielsweise bei Salzen der Fall. Verschiebt man eine Schicht im Ionengitter, so liegt nicht mehr Kation und Anion übereinander (was die einzelnen Schichten zusammenhält), sondern Kation über Kation bzw. Anion über Anion. In diesem Fall würden sich die einzelnen Schichten des Werkstoffes abstossen und der Werkstoff “zerbröseln”. Daher kann man durch die Bindungsart Rückschlüsse auf die Eigenschaft ziehen:

  • Duktile Werkstoffe: Werkstoffe mit metallischer Bindung
  • Spröde Werkstoffe: Werkstoffe mit ionischer Bindung und gerichteter kovalenter Bindung (Hinweis: hier müssen die Sekundärbindungen auch betrachtet werden, z. B. Wasserstoffbrückenbindungen – ein Stoff muss nicht spröde sein, nur weil dieser aus kovalenten Bindungen enthält)

Elektrische und thermische Leitfähigkeit

Damit ein Werkstoff (im festen Zustand) elektrisch leitfähig ist, müssen in dem Werkstoff freibewegliche Ladungsträger vorhanden sein (Elektronen und Protonen). Daher können auch in diesem Fall vom Bindungstyp auf die Eigenschaft geschlossen werden:

  • Gute Leitfähigkeit: Werkstoffe mit metallischer Bindung
  • Schlechte Leitfähigkeit: Werkstoffe mit reiner kovalenter Bindung (=> Isolatoren) und Werkstoffe mit ionischer Bindung im festen Zustand

Festigkeit eines Werkstoffes

Grundsätzlich ist die Voraussetzungen für hohe Festigkeit des Werkstoffes ein Maximum an Bindungsenergie, d.h. je stärker die anziehende Wechselwirkung zwischen beiden Bindungspartnern ist, umso fester ist die Bindung. Dies ist allerdings nur ein Teilaspekt, denn warum sind Stoffe mit kovalenten Bindungen so unterschiedlich, von hochfest bis wenig fest. Dies hängt mit den Sekundärbindungen zusammen, die ebenfalls noch betrachtet werden müssen. So sind beispielsweise Stoffe mit nur Van-der-Waals-Bindung weniger fest als Stoffe, die einen hohen polaren Bindungsanteil aufweisen (Dipole). Hier sei auf das entsprechende Kapitel in der Anorganischen Chemie verwiesen (Zusammenhang zwischen Stabilität und Bindungssystem).

Siedetemperatur und Volumenausdehnung eines Werkstoffes

Die Siedetemperatur ist die Temperatur, bei der ein Stoff vom flüssigen Zustand in den gasförmigen Zustand übergeht. Dabei “brechen” die anziehenden Wechselwirkungen auf, die den Stoff zusammengehalten haben. Die einzelnen Atome bzw. Moleküle gehen (getrennt) bei Erreichen des Siedepunkts in den gasförmigen Zustand über. Um nun zwei Atome bzw. Moleküle (aus einem Verbund) mit einem bestimmten Abstand völlig voneinander zu trennen, muss Energie (z.B. Wärmeenergie) hinzugeführt werden. Die zugeführte Energie muss mind. so groß sein wie die Bindungsenergie (bzw. in Physik betrachtet man die potentielle Energie) der Verbindung. In der Schule lernt man hier, dass eben durch den steigenden Bindungsabstand beim Erwärmen bzw. durch das höhere Oszillieren der Atome mehr Platzbedarf notwendig ist. Dies führt eben zu einer Volumenausdehnung bei Temperaturerhöhung.

Hinweis: Ganz so leicht wie man es in der Schule lernt, ist es dann doch nicht. So ist der sogenannte Potentialtopf einer Verbindung eben doch schwieriger zu bestimmen (=> z.B. Condon-Diagramm). Erst durch diese “Erkenntnisse” lässt sich dann auch ableiten, warum mit steigendem Siedepunkt einer Verbindung die Festigkeit des Werkstoffes zunimmt, hingegen die Temperaturausdehnung abnimmt.

Autor: , Letzte Aktualisierung: 01. Februar 2023