Die Eigenschaften von Werkstoffen lassen sich auf den stofflichen Aufbau zurückführen. Zwischen den Eigenschaften der “Mikrowelt” (Atomaufbau) und der “Makrowelt” (z.B. Farbe, Leitfähigkeit) herrscht ein Zusammenhang. Damit dieser Zusammenhang besser verstanden werden kann, muss man sich erstmal mit den chemischen und physikalischen Grundlagen einer Bindung bzw. dem Atomaufbau beschäftigen.
Da viele Werkstoffe zu der Klasse der metallischen Werkstoffe gehört, sind viele der Meinung, für die Bindung in Werkstoffen müsste man nur die Metallbindung kennen. Dies stimmt aber nicht ganz, denn in Werkstoffen kommen auch kovalente Bindungen sowie Ionenbindungen vor.
Bevor man sich mit den Bindungstypen beschäftigen kann, sollte man sich erst einmal mit dem Atomaufbau beschäftigen. Da sich eine ausführliche Erklärung im Bereich Chemie/Physik auf Lernort-mint findet, wird hier nur eine Zusammenfassung beschrieben:
Alle Materialien werden aus Atomen aufgebaut:
Die Anordnung der Elektronen in der Atomhülle geht auf das Bohrsche Atommodell zurück. Die Atomhülle besteht aus kleineren, negativ geladenen Elektronen, deren Ladung der negativen Elementarladung e entspricht. Die Anzahl der Elektronen entspricht beim neutralen Atom der Zahl der im Kern befindlichen Protonen (Prinzip der elektrischen Neutralität). Elektronen bewegen sich vergleichbar Planeten in unterschiedlichen Bahnen (Schalen) um den Kern. Die Anzahl der “Bahnen” lässt sich aus dem PSE ablesen und entspricht der Zahl der Perioden für das jeweilige Atom.
Für Werkstoffe bzw. die Elemente darin, gibt man meistens die sog. Elektronenkonfiguration an. Diese ist eine Weiterentwicklung des Bohrschen Atommodells nach Sommerfeld (in diesem Kapitel soll nur die Methode aufgezeigt werden, nicht der theoretische Hintergrund):
Beispiel:
Elektronenkonfiguration von Natrium -> Natrium steht an 11. Stelle im PSE -> 11 Protonen bedeutet 11 Elektronen, die nun verteilt werden.
Die Zahl vor dem Buchstaben gibt die sog. Hauptquantenzahl n an, darunter versteht man, um welche Elektronenschale es sich handelt (K-Schale, L-Schale, … siehe Periodensystem). Der Buchstabe (s,p,d oder f) gibt die sog. Nebenquantenzahl l an, und beschreibt das “Unterniveau” der Schale, z.B. ob sie ellipsenförmig ist. Hinter dem Buchstaben steht (meist hochgestellt) die Anzahl der Elektronen in diesem Orbital. Diese beruhen auf der sog. Magnetquantenzahl m(l) und beschreibt die Orientierung der Bahn im Raum und auf der sog. Spinquantenzahl (beschriebt den Eigenimpuls eines Elektrons).
So kompliziert wird man es aber im Bereich der Werkstoffe nie brauchen, es reicht zu wissen, wie viele Valenzelektronen das entsprechende Atom hat und wie das Atom die Edelgaskonfiguration (8 Valenzelektronen auf der äußersten Schale) erreicht.
Im Allgemeinen werden drei Hauptbindungstypen unterschieden: Die kovalente Bindung (Atombindung), die Ionenbindung und die Metallbindungen. Beschäftigt man sich nicht auf allzu hohem Niveau lässt sich sagen, dass eine kovalente Bindung zwischen Nichtmetallen, eine Ionenbindung zwischen Metallen und Nichtmetallen und eine Metallbindung zwischen Metallatomen vorliegt.
(Beschäftigt man sich tiefer mit Bindungen, so muss beispielsweise die Elektronegativitätsdifferenz zwischen Atomen einer kovalenten Bindung betrachtet werden, die zu einer Polarisierung der Bindung führt. Damit erhält man dann eine kovalente Bindung mit ionischen Bindungsanteilen, was viele unter dem Begriff “polare Atombindung” kennen).
Die Ionenbindung:
Bei der Ionenbindung findet ein Elektronenaustausch vom Metallatom zum Nichtmetallatom (in der Regel) statt. Dabei werden entsprechend viele Valenzelektronen abgegeben bzw. aufgenommen, so dass eine voll besetzte Außenschale entsteht (Edelgaskonfiguration). Der Elektronenaustausch erfolgt unter Entstehung von positiv und negativ geladenen Ionen. Die sog. Coulombschen Anziehungskräfte wirken zwischen den unterschiedlich (bzw. entgegengesetzten) Ladungen. Da die Coulomb-Kraft (eines Ions) in alle Richtungen wirkt, handelt es sich bei der Ionenbindung um eine ungerichtete Bindung. Es entsteht dadurch für eine Ionenbindung typisches Ionengitter mit max. Packungsdichte.
Dabei gibt es eine Hilfsgröße, die sog. Koordinationszahl, die angibt, wie viele Ionen (bei der Ionenbindung) von einem Ion unmittelbar im gleichen Abstand benachbart sind. So kann mit Hilfe des Radienverhältnisses die Koordinationszahl bestimmt werden, da sich die Radien aufgrund der Abstoßungskräfte nicht überlappen dürfen.
Die kovalente Bindung (Atombindung):
Die kovalente Bindung beruht darauf, dass bei den einzelnen Atomen die Orbitalüberlappungen der Valenzelektronen zur Bindung führen. Daher entsteht bei der Atombindung die Bildung gemeinsamer Elektronenpaare, wobei jedes Atom die Edelgaskonfiguration erreicht. Die kovalente Bindung ist daher eine gerichtete Bindung.
Die Metallbindung:
Die Metallbindung beruht darauf, dass die Metallatome ihre Valenzelektronen abgeben und aufteilen. Die Valenzelektronen sind zwischen den einzelnen Metallatomrümpfen verteilt, weswegen die Metallbindung ebenfalls eine ungerichtete Bindung ist.
Die positiv geladenen Metallatomrümpfe (nach der Abgabe der Valenzelektronen) werden durch die delokalisierten Valenzelektronen zusammengehalten und dadurch in einem sog. Metallgitter fixiert. Die Koordinationszahlen bei Metallen sind 12 oder 8.