In einem anderen Kapitel wurde die elektrophile aromatische Substitution erläutert. Dabei kam auch die Frage auf, ob es denn eine nucleophile aromatische Substitution gibt. Die Antwort lautet: Ja, es gibt nucleophile Substitutionen an Aromaten (richtiger Name der Stoffklasse: Arene). Bei Substitutionen an Aromaten können wie bei aliphatischen Kohlenwasserstoffen zwei Reaktionstypen unterschieden je nachdem, ob das mit dem Aromat ein elektrophiles Teilchen oder ein nucleophiles Teilchen ist.
Auch wenn der Mechanismus einer nucleophilen aromatischen Substitution existiert, unterscheidet sich dieser von der nucleophilen Substitutionen an gesättigten Verbindungen. Aufgrund der speziellen Geometrie des Benzolrings ist ein Rückseitenangriff (der Angriff des Nucleophils müsste aus dem Inneren des planaren Benzolrings stattfinden) des Nucleophiles nicht möglich (SN2-Substitution). Ein SN1-Mechanismus an Aromaten wie bei Aliphaten läuft ebenfalls nicht ab, da ein energetisch ungünstiges Phenylkation entstehen würde. Demzufolge laufen nucleophile aromatische Substitution anders ab (ähnlich wie bei der elektrophilen aromatischen Substitution). Der Mechanismus der nucleophilen aromatischen Substitution sind der Addition-Eliminierungs-Mechanismus und der Eliminierung-Additions-Mechanismus.
Die nucleophile aromatische Substitution findet in der Regel nur an di- oder polysubstituierten Aromaten statt. So führen diese (elektronenziehende) Substituenten dazu, dass an einem aromatischen System ein nucleophilen Angriff möglich ist, wobei die Substitution umso eher abläuft, je mehr elektronenziehende Substituenten vorhanden sind. Vorstellbar sind verschiedene Mechanismen:
Wie bereits erwähnt sind bei nucleophilen aromatischen Substitutionen Mechanismen bekannt, bei denen zuerst ein Nucleophil addiert wird und danach erst die Abgangsgruppe abgespalten wird (Addition-Eliminierungs-Reaktion), als auch Reaktionen, bei der erst die Abgangsgruppe (über eine Arin-Zwischenstufe) abgespalten wird und dann das Nucleophil addiert wird (Eliminierung-Additions-Mechanismus). Abgekürzt wird die nukleophile Substitution an Aromaten auch als SNAr (Ar = aromatisch).
Addition-Eliminierungs-Mechanismus:
In den vielen Fällen folgt die nucleophile aromatische Substitution einem Addition-Eliminierungs-Mechanismus und verläuft im Allgemeinem bimolekular. Die Elektronendichte am Aromaten muss dabei durch geeignete Substituenten (-I- oder -M-Effekt) erniedrigt werden.Die Abgangsgruppe muss ein stabiles Anion oder ungeladenes Molekül bilden können, da sie die Bindungselektronen aus dem aromatischen System an sich bindet.
Eliminierung-Additions-Mechanismus:
Beim Eliminerung-Additions-Mechanismus wird ein Arin als Zwischenstufe gebildet (aromatisches System mit einer Dreifachbindung).
Monomolekulare nucleophile Substitution an Aromaten:
Diese Art der nucleophilen Substitution ist viel seltener, als die bimolekulare nucleophile aromatische Substitution. In einem ersten Schritt wird die Abgangsgruppe abgespalten, es kommt zu einer Bildung eines Aryl-Kations. Im zweiten Schritt reagiert das Aryl-Kation mit einem Nucleophil. Diese Art von Substitution findet man bei Umsetzungen von Diazoniumsalzen in wässrigen Lösungen.
1. Schritt: Ar-N2+ -> Ar+ + N2
2. Schritt: Ar+ + Nu– -> Ar-Nu
In der normalen nukleophilen Substitution greift das Nukleophil ein mit positiver Ladung gekennzeichnetes Atom an. Bei der Nucleophilen aromatischen Substitution hat das aromatische System eine stabilisierende Resonanz, die durch die Substitution aufgehoben wird, was diese Art der Substitution energetisch ungünstiger macht.
Die zwei bekannten Mechanismen sind der additions-eliminations Mechanismus und der eliminations-additions Mechanismus.
Sie unterscheiden sich durch die Reihenfolge der den dreigliedrigen Ringschluss und die Eliminierung von HX: bei dem Additions-Eliminations Mechanismus erfolgt erst die Addition, dann die Elimination, beim Eliminations-Additions Mechanismus wird diese Reihenfolge umgekehrt.
Die Voraussetzung ist, dass das Aromatensystem elektronenarm bzw. aktiviert ist, in der Regel durch eine starke Elektronenziehende Gruppe.
Beim Additions-Eliminations Mechanismus der Nucleophilen aromatischen Substitution greift das Nukleophil an, es bildet sich ein Meisenheimer-Komplex. Dieser zerfällt dann wieder zu einem aromatischen System.
Beim Eliminations-Additions Mechanismus wird zuerst ein Proton eliminiert und es bildet sich ein Zwischenprodukt, das eine negative Ladung trägt. Dieses greift dann das Nukleophil an und es bildet sich wieder ein aromatisches System.
Der Meisenheimer-Komplex ist der durch Addition eines Nukleophils an das Aromatensystem entstandene sein-zwischenzustand in der nucleophilen aromatischen Substitution.
Nukleophile sind Moleküle oder Ionen, die eine freie Elektronenpaar besitzen und dadurch stark reaktionsfähig sind.
Die nukleophile aromatische Substitution läuft meistens unter hoher Temperatur und hohem Druck ab, da sie energetisch ungünstig ist.
Die Wahl des Lösungsmittels kann das Gleichgewicht der Reaktion beeinflussen und Bedingungen schaffen, unter denen die Reaktion schneller oder langsamer abläuft.