Was sind toxische (Inhalts)stoffe

Oft hört man v.a. im Bereich der Chemie über Toxizität oder toxische Stoffe. Die Toxizität (oder auch manchmal als Giftwirkung bezeichnet) ist aber kein Begriff, der nur in der Moderne auftaucht. Bereits in der Antike befassten sich Menschen mit der Toxizität von Giftpflanzen, berühmtestes Beispiel ist die Tötung Sokrates durch den Schierlingsbecher. In den Jahrtausenden, die seitdem vergangen sind, hat sich die Wissenschaft, die sich mit der Toxizität beschäftigt weiterentwickelt. Der Begriff “toxische” Stoffe ist aber immer noch ein Relativbegriff.

Entwicklung der Toxikologie

Von der Antike dauerte es knapp 3.000 Jahre, bis eine systematische Wissenschaft entstanden ist. Als Begründer der modernen Toxikologie gilt Paracelsus, der als erster (im 16. Jhd.) den Zusammenhang zwischen Wirkung und Dosis erforschte und erkannte. Dennoch sehen viele den Chemiker Orfila (19. Jhd.) als den Vater der Toxikologie, vom dem das Standardwerk (“Traite des poissons ou toxicologie generale”) der Toxikologie stammt.
Die richtige Entwicklung der Toxikologie begann aber erst Mitte des 20. Jhds. Die zunehmende Industrialisierung sorgte für Rückstände und Verunreinigungen in der Luft, Boden und Wasser. Somit entwickelte sich aus der Toxikologie (einer Wissenschaft, die sich mit Giftstoffen v.a. aus Pflanzen beschäftigt) eine Wissenschaft, die sich mit der möglichen Schadwirkung (langfristige Einwirkung) von Umweltstoffen beschäftigt).

“was ist toxisch?” – toxische Stoffe als relativer Begriff

Damit man versteht, was “toxisch” bedeutet, muss man sich erst einmal über den Begriff “toxische Wirkung” klar sein. Die toxische Wirkung von Stoffen beruht im Körper anhand der Dosis-Wirkungsbeziehung, Wirkungsweise und Wirkort (Toxikodynamik) und anhand der Verteilung, Speicherung oder Abbau des “toxischen Stoffes” im Stoffwechsel (Toxikokinetik). Diese Faktoren (Toxikodynamik und Toxikokinetik) sind die Grundlage jeder toxischen Beurteilung eines Stoffes.
Was aber die Beurteilung so schwer macht ist, dass verschiedene Organismen verschieden auf toxische Stoffe reagieren können, da sie teilweise auch unterschiedliche Entgiftungsmechanismen im Körper aufweisen. Daher kann über toxische Stoffe keine gesicherte Voraussage über den Gesamtablauf der Wechselwirkung von “toxischem Stoff” und Organismus aufgestellt werden. Ein Auszug aus einem Paragraphen zeigt deutlich, wie schwierig es ist, den Begriff “toxischer Stoff” zu umreißen. So steht im § 8 des LMBG, dass es verboten ist, “Stoffe, deren Verzehr geeignet ist, die Gesundheit zu schädigen, als Lebensmittel in Verkehr zu bringen”. Hier wird wieder deutlich, die Frage “wann ist ein Stoff gesundheitsschädlich”, denn eine schädliche Wirkung eines Stoffes hängt auch von der aufgenommenen Dosis ab.
So kann jede Substanz, die im Übermaß aufgenommen bzw. verzehrt wird, gesundheitsschädlich wirken (z.B. überhöhte Aufnahme von Fetten oder Kohlenhydraten. Auf der anderen Seite gibt es Giftstoffe (z.B. Schwermetalle), die in Lebensmitteln vorhanden sind, sich aber nicht schädlich auswirken, da die aufgenommene Konzentration zu gering ist, um “toxisch” zu wirken.

Einteilung von toxischen Stoffen

Wie kann man nun einen “toxischen” Stoff beurteilen, d.h wie kann man das gesundheitliche Risikio eines Stoffes beurteilen.
Dazu gibt es keine feste Regel, wie bereits erwähnt, hängt die toxische Wirkung auch von der Menge ab. Möglichkeiten der Prüfung auf toxische Wirkung eines Stoffes kann erfolgen durch

  • Bestimmung der akuten Toxizität
  • Mutagenität in vitro und in vivo
  • Untersuchung des Stoffwechselverhaltens

Die Bestimmung der akuten Toxizität ist immer noch das wichtigste Beurteilungskriterium. Hierbei werden vornehmlich Ratten die Testsubstanz verabreicht. Die Ratten werden dabei mind. 14 Tage lang beobachtet und Vergiftungssymptome und Todesfälle registriert. Die Dosis, bei der 50% aller Ratten sterben, wird als LD50 (letale Dosis) bezeichnet und dient der Einteilung von Substanzen in Gefahrenklassen

Kategorie
Bezeichnung
Bereich der oralen LD50 (mg / kg Körpergewicht
I
sehr giftig
< 25
II
giftig
25 – 200
III
mindergiftig
200 – 2000
IV
nicht klassifiziert
> 2000

Auch hier zeigt sich wieder die schwere Einordnung des Begriffes “toxischer Stoff”.  So ist z.B. Botulinustoxin mit 0,00001 mg / kg Körpergewicht sehr giftig, während einige Fungizide als nicht giftig gelten oder beispielsweise der Lebensmittelzusatzstoff Natriumnitrat als giftig gilt.

Die zeigt auch, dass “toxische Wirkung” sich nicht alleine durch den LD50-Wert widerspiegelt, sondern eben auch Mutagenität (Veränderungen der Erbsubstanz) oder auch mögliche chronische Langzeitwirkungen mit berücksichtigt werden müssen.
Bestes Beispiel: Ethanol gehört mit ca. 7.000 mg/ kg Körpergewicht laut LD50 zu den harmloseren Stoffen, dennoch sterben an der Langzeitwirkung des Ethanols mehr Menschen als an anderen giftigen Substanzen.

Dennoch gilt der LD50-Wert als ein grobes Maß für die toxische Beurteilung eines Stoffes. Im industriellen Umgang mit “toxischen Stoffen” gilt der LD50-Wert sogar als die wichtigste Kenngröße. Trotz allem zeigt sich, wie schwer es ist, die Toxizität eines Stoffes zu beurteilen oder die Frage zu beantworten, was ist ein toxischer Stoff.

Autor: , Letzte Aktualisierung: 15. Februar 2023