Bei der großen Anzahl an organischen Verbindungen ist eine eindeutige Benennung organischer Verbindungen aufgrund sehr ähnlicher Verbindungen besonders notwendig. Wer die letzten Kapitel gelesen hat, weiß, dass es einfach ist, die Benennung von Alkanen oder monofunktioneller Verbindungen durchzuführen.
Hingegen wird die Benennung von Verbindungen, die mehrere funktionelle Gruppen enthalten, schwieriger. Im folgenden Kapitel soll auf die Benennung von organischen Verbindungen mit mehreren funktionellen eingegangen werden.
Nomenklatur bei komplexen organischen Verbindungen
Diese Benennung von komplexen organischen Verbindungen wurde 1892 auf einem internationalen Kongress in Genf erörtert. Auf diesem Kongress wurden systematische Regeln zum Benennen organischer Verbindungen aufgestellt, die heute als die ” Genfer Nomenklatur” bekannt sind.
Diese “Genfer Regeln” vereinfachen die Nomenklatur organischer Verbindungen und basieren auf einem Modell, dass alle organischen Verbindungen als Substitutionsprodukte von Kohlenwasserstoffen (Grundverbindung) angesehen werden. Dieses Modell, dass auch vom IUPAC-System übernommen worden ist, basiert auf dem einfachen Prinzip, alle Verbindungen als Derivate der längsten im Molekül vorkommenden Kohlenstoff-Kette (in der Kette muss auch die max. Zahl an funktionellen Gruppen vorhanden sein) zu betrachten.
Problematik bei der Nomenklatur
Nach den IUPAC-Regeln gilt, dass nur eine funktionelle Gruppe als Suffix am Namensende (und damit eine Zuordnung zur Stoffklasse) stehen darf, die übrigen funktionellen Gruppen müssen als Präfixe dem Namen der Hauptkette vorausgestellt werden.
Dies zeigt sich z.B. an folgender Verbindung RC-CO-COOH. Diese Verbindung könnte man als Keton (C=O Funktion) oder als Carbonsäure bezeichnet werden, aber es darf nur eine funktionelle Gruppe als Zuordnung zu einer Stoffklasse dienen. Daher stellt sich nun die Frage, ob die Verbindung nun das Suffix “on”, das für die Stoffklasse der Ketone bezeichnend ist, oder handelt es sich um eine Carbonsäure, für die die Endung “säure” typisch ist. Hier helfen aber die sog. Prioritätsregeln zur Auswahl der “richtigen” funktionellen Gruppe.
Priorität funktioneller Gruppen
Hat eine komplexe organische Verbindung mehrere funktionelle Gruppen kann man nicht eine oer mehrere beliebige Gruppen auswählen. Dazu gibt es die Prioritätsregeln (Prioritätsskala), die angibt, welche funktionelle Gruppe das Vorrecht erhält, die Endung (und damit Zuordnung zu einer Stoffklasse) zu bilden. Eine in der Prioritätsskala weiter oben stehende funktionelle Gruppe hat immer ein “Vorrecht” gegenüber der unten stehenden.
Nomenklatur komplexer organischer Verbindungen
- Es wird diejenige Kette (Kette mit höchster Priorität) ausgewählt, die den Substituenten mit höherer Priorität enthält und die meisten Kohlenstoffatome aufweist.
- Hat man die Möglichkeit zwei Ketten mit gleichrangigen Substituenten zu wählen, hat die Kette Vorrang, die die größte Zahl von Doppelbindungen enthält, enthalten diese Ketten auch eine gleich große Anzahl an Doppelbindungen, so entscheidet man sich für die Kette mit der max. Anzahl an Kohlenstoffatomen.
- Nun kann die Hauptkette (Anzahl der Kohlenstoffatome) entsprechend als Stammname der Verbindung benannt werden, z.B. Kette mit 7 C-Atomen => Hepta. Durch die Bestimmung des Substituenten mit der höchsten Priorität ist ebenfalls das Suffix “gefunden”, dass als Endung an den Stammnamen angefügt wird. Alle anderen Seitenketten/Substituenten der Verbindung werden als Präfix vor den Stammnamen gestellt.
- Anschließend müssen die Kohlenstoffatome der Hauptkette durchnummeriert werden. Hierbei gilt folgendes: die Hauptkette wird so durchnummeriert, dass das C-Atom der Hauptkette, an dem sich die funktionelle Gruppe mit der höchsten Priorität befindet, die kleinstmögliche Nummer erhält (zur Erinnerung: bei gesättigten KW (Alkanen) wurde die Nummerierung der Kette so gewählt, dass die Seitenkette die niedrigste Nummer hat. Hat man mehrere Seitenketten, so erfolgte die Durchnummerierung der Hauptkette so, dass die Summe der Positionsangabe (Zahl) der Seitenketten die niedrigste Zahl aufweist).
- Die funktionellen Gruppen / Seitenketten mit niedrigerer Priorität als der, die das Suffix bildet, werden in alphabetischer Reihenfolge vor dem Stammnamen der Verbindung geschrieben. Sind mehrere gleichartige Substituenten vorhanden, so wird die Zahl der Substituenten durch die Vorsilben: Di-, Tri-, Tetra- usw. angegeben. Hierbei sei nochmals erwähnt, dass Angaben über die Anzahl (z.B. Di, Tri) gleicher vorkommender Seitenketten nicht bei der alphabetischen Reihenfolge mitzählen (z.B. Ethyl steht für Dimethyl).
- Zuletzt muss in der Verbindung den funktionellen Gruppen noch eine Position zugewiesen werden (auch für die funktionelle Gruppe mit der höchsten Priorität, z.B. Penta-2-on oder 2-Pentanon. Hier gilt folgende Faustregel (kein Fehler): Handelt es sich um eine einfache Verbindung, kann die Position der funktionellen Gruppe mit der höchsten Priorität auch vor dem Stammnamen geschrieben werden, da es leichter auszusprechen ist. Bei komplexen Verbindungen sollte die Position aber unbedingt vor der entsprechenden Gruppe angegeben werden). Dazu verwendet man die Nummer des Kohlenstoffatoms der Hauptkette, an dem sich die funktionelle Gruppe / Seitenkette befindet. Hängen mehrere Substituenten am selben C-Atom der Hauptkette, muss für jeden Subsitutenten die Nummer angegeben werden (z.B. 3,3-Dimethyl …..).
- Hat man keine “Kette” vorliegen, sondern eine cyclische Verbindung, so fügt man bei der Benennung von alicyclischen Verbindungen vor dem Namen der Verbindung die Vorsilbe “Cyclo” an.
- Zuletzt gilt noch (sofern es sich um eine chirale Verbindung handelt, also Kohlenstoffatome mit vier verschiedenen Substituenten) die absolute Konfiguration (nach Cahn, Ingold, Prelog) mit “R” oder “S” zu bezeichnen. Liegt eine ungesättige Verbindung vor (mit Doppelbindungen) muss die geometrische Konfiguration zusätzlich mit cis/trans oder E/Z angegeben werden. Diese Angaben stehen vor dem Verbindungsnamen, z.B. (3S, 4R)- oder (E) oder cis – (kursiv geschrieben).
Bezeichnung organischer Verbindungen (Nomenklatur) – mit Funktionelle Gruppen und Seitenketten – Testfragen/-aufgaben
1. Was ist eine funktionelle Gruppe in der organischen Chemie?
Eine funktionelle Gruppe ist eine spezifische Anordnung von Atomen in einer organischen Verbindung, die eine bestimmte chemische Reaktivität charakterisiert.
2. Was ist eine Seitenkette in einer organischen Verbindung und nennen Sie ein Beispiel?
Eine Seitenkette ist ein Teilstück einer organischen Verbindung, das durch Verzweigung vom Hauptkettengerüst abweicht. Ein Beispiel wäre die Methylgruppe (-CH3) in Ethylbenzol.
3. Nennen Sie drei Beispiele für funktionelle Gruppen.
Beispiele für funktionelle Gruppen sind die Hydroxylgruppe (-OH), die Carbonylgruppe (>C=O), und die Carboxylgruppe(-COOH).
4. Wie bezeichnet man eine Verbindung mit einer Aldehydgruppe in der Nomenklatur?
Eine organische Verbindung mit einer Aldehydgruppe (-CHO) wird als Aldehyd bezeichnet; das Suffix “al” wird in der Nomenklatur angehängt.
5. Was versteht man unter der IUPAC-Nomenklatur in der organischen Chemie?
Die IUPAC-Nomenklatur ist ein international anerkanntes System zur Benennung von organischen Verbindungen nach Regeln, die von der International Union of Pure and Applied Chemistry festgelegt wurden.
6. Welche funktionelle Gruppe kennzeichnet Alkohole und wie werden sie in der Nomenklatur bezeichnet?
Alkohole sind durch die funktionelle Hydroxylgruppe (-OH) gekennzeichnet und werden in der Nomenklatur durch das Suffix “-ol” bezeichnet.
7. Was kennzeichnet Ether in der organischen Chemie und wie werden sie benannt?
Ether sind organische Verbindungen, die zwei Alkylgruppen über ein Sauerstoffatom verbinden. In der IUPAC-Nomenklatur werden sie als “Alkoxyalkane” bezeichnet.
8. Was ist die funktionelle Gruppe in einer Carbonsäure und wie wird diese in der Nomenklatur bezeichnet?
In einer Carbonsäure ist die funktionelle Gruppe die Carboxylgruppe (-COOH). In der Nomenklatur wird diese Verbindung durch das Suffix “-säure” gekennzeichnet.
9. Nennen Sie ein organisches Molekül und identifizieren Sie seine funktionellen Gruppen und Seitenketten?
Ein Beispiel ist Ethanol (C2H5OH). Die funktionelle Gruppe ist die Hydroxylgruppe (-OH) und die Seitenkette ist die Ethylgruppe (C2H5).
10. Wie werden alkylsubstituierte Benzene in der IUPAC-Nomenklatur benannt?
In der IUPAC-Nomenklatur wird die Bezeichnung der Alkylgruppe vor das Wort “benzol” gestellt. Zum Beispiel wird Methylbenzol als Toluol bezeichnet.